Israel im Krieg – 28. Tag

Vor genau 4 Wochen begann die palästinensische Hamas den Krieg gegen Israel. Die Zeitung Haaretz hat auf ihrer englischsprachigen Webseite die freigegebenen Namen und Fotos der ermordeten Opfer des 7.10. veröffentlicht. Darunter sind auch Dutzende von Gastarbeitern, die hier lebten.

Heute gab es 49 Raketenangriffe auf Israel, darunter auch wieder auf das Ballungszentrum Tel Aviv und Umgebung, in dem beinahe 4 Millionen Menschen leben. Im Norden (Libanon) drohte Hisbollah-Chef Nasrallah, den Konflikt auszuweiten.

Vorgestern fiel unsere Internet-Verbindung aus, schon zum 2. Mal in drei Wochen. Gestern kamen die Techniker, zwei Araber. Schwarz gekleidet von Kopf bis Fuß erinnerten sie – wahrscheinlich ungewollt – an Isis-Kämpfer oder Hamas-Terroristen. Sie mussten auf’s Dach des Mehrfamilienhauses und die Glasfaserleitung austauschen. Vögel hatten das gerade 2 Monate alte Glasfaserkabel an einer Stelle völlig zerstört. Die arabischen Mitarbeiter der Telekomgesellschaft leisteten gute Arbeit und wir haben uns freundlich verabschiedet.

Das Leben der israelischen Araber zur Zeit des Konflikts ist nicht leicht. Einerseits werden sie von dem Geschehen, dem Fernsehen und den sozialen Medien beeinflusst. Der populärste Fernsehkanal ist der in Qatar ansässige Sender Al Jazeera, daneben gibt es auch populäre palästinensische Sender. Doch in einem sind sich (fast) alle arabischen Medien einig: Israel trägt die Schuld.

Auf der anderen Seite leben die israelischen Araber als eine Minderheit in Israel. Während die Hamas-Anführer immer wieder ihre „Brüder“ im jüdisch besetzten Palästina (d.h. Israel) zum Kampf aufrufen, blicken manche jüdische Israelis mit Misstrauen auf die arabische Bevölkerung. Werden sie diesmal wieder, wie vor zwei Jahren, zur Gewalt greifen, die mancherorts zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führte?

Zwischenzeitlich geben sich rechtsextreme jüdische Siedler redlich Mühe, mit Angriffen auf Palästinenser die Situation im Westjordanland außer Kontrolle geraten zu lassen. (Wichtiger Hinweis: Es sind bei weitem nicht alle Siedler rechtsextrem, eher eine Minderheit.) Derweil lässt Israels „Sicherheitsminister“ Ben-Gvir Waffenscheine und Waffen im Schnellverfahren austeilen, zum Schutz des Volkes.

Im kleinen Supermarkt um die Ecke ist von normalerweise 4 arabischen Mitarbeitern vor dem 7.10. nur noch einer da. Er stammt aus einem palästinensischen Flüchtlingslager (heute ein arabischer Stadtteil) in Jerusalem und fährt jeden Tag von dort nach Tel Aviv zur Arbeit. Vermutlich waren die anderen drei Mitarbeiter Palästinenser aus dem Westjordanland, ich weiß es aber nicht.

Fast täglich sehe ich den arabischen Supermarkt-Angestellten mit Kisten oder Einkaufstüten Hauslieferungen machen. Er hat jetzt sehr viel Arbeit. Die Nachbarschaft kennt ihn, man sagt sich Hallo, plaudert einige Worte. Ich bin froh, hier in Tel Aviv in einer guten Nachbarschaft zu wohnen. Es scheint hier weniger Klischees zu geben, man kann auch die Sorgen der anderen zumindest erahnen.

Neulich musste ich mit dem Auto in die Werkstatt. Seit wir damals an der Grenze zum Westjordanland wohnten, bringen wir unser Auto wenn möglich zur Werkstatt in das israelisch-arabische Dorf Kafr Bara. Mahmud erzählte mir, wie sein Verwandter, der am 7.10. als Sanitäter auf dem Musikfestival bei Re’in war, durch die Hamas-Terroristen erschossen wurde. Der Hamas war es völlig egal, dass sie einen Landsmann töteten. In der Sicht der Hamas sind israelische Araber sowieso Verräter, die es sich bequem gemacht haben und nicht gegen die zionistischen Kolonialisten kämpfen.

Innerhalb Israels begegnet man überall Arabern, nicht nur in den gemischten Städten Jerusalem, Haifa und Tel Aviv-Jaffa. Sie sind Teil eines komplexen gesellschaftlichen Gewebes, das ein beinahe selbstverständliches Nebeneinander ermöglicht. Man fährt nach Jaffa, um bei Abulafia Backwaren zu kaufen, oder man geht ins arabische Fischrestaurant am Hafen. In der Apotheke werden wir von arabischen Apothekerinnen beraten und bedient. In unseren Krankenhäusern finden wir arabische Ärzte und Pflegepersonal. Selbst die Busfahrer sind häufig, wenn nicht mehrheitlich, Araber.

Während in Israel die Araber weitestgehend integriert sind, stelle ich jedoch die Frage, was passieren würde, wenn ein jüdischer Israeli Ramallah, Bethlehem, Nablus oder eine andere palästinensische Stadt besuchen würde?

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